Immer noch weit verbreitet ist der Mythos, dass wir im Umgang mit unseren Hunden der Chef sein müssen, damit es mit dem Zusammenleben gut klappt. Vor allem das Fernsehen suggeriert in diversen Hundeformaten, dass wir der Rudelführer sein müssen, damit unsere Hunde gut erzogen werden. Besonders wenn es um sogenannte „Problemhunde“ geht, wird die Meinung vertreten, dass man sich hier nur anständig durchsetzen muss.
Sehr oft kommen dabei brutale Maßnahmen und Hilfsmittel, wie auf den Boden drücken, in die Seite „stupsen“, am (Ketten-)Halsband würgen und ähnlich schlimme Methoden zum Einsatz. Aber auch vermeintlich weniger massive Einwirkungen, wie körperliches blocken/bedrängen, anzischen und übermäßiger Sozialentzug werden als gängige Trainingstipps verkauft. Vieles davon verstößt, nicht nur in Österreich, gegen das Tierschutzgesetz.
Braucht es das wirklich, um den Hund zu einem souveränen Begleiter zu machen? Die Antwort ist hier ein klares NEIN. Ganz im Gegenteil!
Die Sache mit dem Rudel & der Dominanz
Betrachten wir das Ganze objektiv wissenschaftlich, haben Mensch und Hund mit einem Rudel nichts zu tun. Ein Rudel ist ein Zusammenschluss artgleicher Individuen, das trifft auf Mensch und Hund eindeutig nicht zu.
Oftmals wird hier fälschlicherweise auf Wolfsrudel rückgeschlossen. Allerdings leben auch wildlebende Wölfe in Familienverbänden, mit Großeltern, Eltern und Kinder, wo es nicht den vom Menschen definierten Alpha-Wolf gibt, der alles kontrolliert und bestimmt.
Hunde sind sehr soziale Lebewesen, die in der Regel darauf bedacht sind, Konflikte bestmöglich zu vermeiden. Sie haben eine sehr ausgefeilte Kommunikation, hauptsächlich über ihre Körpersprache, um mit Artgenossen und uns zu kommunizieren. Entgegen der häufigen Meinung, dass auch Hunde untereinander oft nicht zimperlich sind, können Hunde ihre Kommunikationsmittel sehr bewusst, subtil und kontrolliert einsetzen ohne das Gegenüber zu bedrängen oder sogar zu verletzen.
Mensch und Hund leben in einer sozialen Gemeinschaft, die gänzlich ohne Rudelführer und Dominanzgehabe auskommt.
Der Hund weiß ganz genau, dass wir Menschen sind, daher ist es auch nicht notwendig vermeintlich hündisches Verhalten nachzuahmen. Vor allem, weil in diesem Zusammenhang auch gerne das Verhalten von Hunden untereinander fehlinterpretiert und übertrieben dargestellt bzw. nachgeahmt wird. Viel wichtiger ist es, sich mit der Körpersprache des Hundes gut auseinanderzusetzen, um den Hund in unterschiedlichen Situationen gut einschätzen und lesen zu können. Nur dann kann eine gute Kommunikation zwischen Mensch und Hund stattfinden.
Respektvoller Umgang – ja bitte!
Die Forschungen rund um Hundeverhalten, das Zusammenleben mit uns Menschen und wie Lernen funktioniert, werden in den letzten Jahren immer mehr und zeigen deutlich, dass Hunde vor allem durch freundlichen Umgang und positive Erfahrungen zuverlässig und erfolgreich lernen.
Gar nicht abwegig, wenn wir uns vor Augen halten, dass auch wir Menschen schneller erfolgreich Neues lernen, wenn das Umfeld positiv ist und wir angenehme Konsequenzen erwarten.
Und dann brauchen wir uns nur überlegen, wann wir jemanden als Respektperson und guten Chef/Vorgesetzten wahrnehmen und wann wir gerne mit jemandem zusammenarbeiten und denjenigen ernst nehmen? Respekt verschafft sich nicht, wer unterdrückt, überfordert und bei jeder Gelegenheit kritisiert – ganz im Gegenteil!
Ein guter Chef ist, wer kompetent ist, Talente fördert, Verständnis zeigt und seine Mitarbeiter entsprechend unterstützt. Dann arbeiten auch wir gerne, haben Spaß und können eine bessere Leistung abrufen, als wenn wir ständig Angst haben müssen zu versagen.
Das Selbe gilt auch für unsere Hunde. Ein respektvoller und positiver Umgang schafft Vertrauen, stärkt die Bindung und so haben sowohl Mensch als auch Hund Spaß am Zusammenleben.
Wenn wir uns ehrlich sind, sind wir doch sowieso schon der Part, der das meiste im Zusammenleben mit unseren Hunden vorgibt.
Wir entscheiden wo sie wohnen, wann es essen gibt, wann sie sich lösen dürfen und bestimmen sogar mit wem es soziale Interaktion geben darf. Zusätzlich müssen sich Hunde auch unserem sehr komplexen Leben anpassen. Sie sollen uns möglichst überall hin begleiten, sich dabei vorbildlich benehmen und bloß nicht ungut auffallen. Sie sollen bitte gut Autofahren können, im Restaurant still unterm Tisch liegen, andere Hunde toll finden und natürlich auch zu allen Menschen freundlich sein. Das ist eine ganz schöne Leistung, die wir hier von unseren Hunden erwarten.
Lasst den Hund ruhig mal Entscheidungen treffen, zB. wo es am Spaziergang entlang gehen soll oder lasst ihn wählen, welche Beschäftigung er gerne machen möchte. Interaktion und gemeinsamer Spaß fördern die Bindung und das Vertrauen und geben dem Hund Sicherheit.
Deswegen hat noch kein Hund die Weltherrschaft an sich gerissen.
„Leaders are called to make a positive impact on the lives of others“ – John Eades
Mit diesem schönen Zitat möchte ich diesen Beitrag gerne abschließen – seid ein „Leader/Boss“, mit dem ihr selbst auch gerne arbeiten und leben wollen würdet und habt Spaß im Zusammenleben mit euren Hunden!
Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Blogparade „FAIR statt fies“.
Die BloggerInnen der deutschsprachigen Hundeszene, denen ein fairer, freundlicher und gewaltfreier Umgang mit Hunden am Herzen liegt, veröffentlichen vom 10. Oktober bis zum 13. November 2019 ihre Blogartikel rund um Mensch und Hund.